Spaziergänge im Theresienthal
Der Mephistopheles oben: Von Eugène Delacroix - Source https://www.ngv.vic.gov.au/explore/collection/work/25924/, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15956831
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Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht;
denn alles, was entsteht, Ist wert, dass es zugrunde geht.
(Quelle: Faust I, Vers 1338 ff.; Mephistopheles)
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Alles hat ein Ende.
Mein persönliches Sein als „Ich“, auch Deines, auch das der Menschheit, der Erde, der Sonne, der Galaxis, wahrscheinlich auch das Sein des Universums.
Beim Gedanken daran verspüre ich, verspüren wir wahrscheinlich alle Angst, Furcht vor dem Schmerz, Enttäuschung darüber, dieses Spiel nicht weiter mitspielen zu dürfen. Und doch ist dieser Untergang stets nur der Beginn von Neuem, notwendig, dass Neues sein kann, sich versuchen kann. Und wenn wir genau hinschauen, sind wir, die „Untergegangenen“, ja stets auch Teil von diesem Neuen, anders, transformiert.
Jetzt ist die Zeit großer Veränderungen: Neues wird entstehen, Bestehendes wird untergehen. Wir können nicht anders, als unsere winzigen Anteile an diesem Geschehen mitzuleben, Machen wir es gut. Es ist ja auch die Chance auf etwas gutes Neues. Wir waren ja bereits am Straucheln, im Ungleichgewicht zu den Ressourcen unseres Habitats, der Erde, im Ungleichgewicht zueinander – arm – reich – im Land und auf der Welt – im Ungleichgewicht unseres Selbstverständnisses als wichtige Entität zu unseren Pflichten in der Gesellschaft.
Vielleicht sind die jetzigen Veränderungen, die wir so fürchten, der Anstoß für eine Transformation, die wir wahrscheinlich brauchen, um weiter bestehen zu können.
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Eine kleine Empfehlung, Website und Apps: https://eingutertag.org/de/
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Guten Morgen! Schönen Tag!
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Modellbasierte Realitäten
Da standen wir in der Nacht, klein, verborgen im Schatten vor dem gleißenden Mond. „Ehrfurcht“, die wir empfanden, beinhaltet als Wort auch die „Furcht“, aber auch den Gedanken, dass wir nur ein Teil sind von Allem, ein kleiner Teil, verbunden mit Allem. So ist die Vermutung von Göttern entstanden, nicht jetzt, beim Anblick eines Hochhauses oder eines Geländewagens.
Die Dinge an sich sind nichts, und es ist belanglos, ob es sie gibt oder nicht, wenn sie nicht in Wechselwirkung zueinander stehen: Zu mir, da ich mich über den „Besitz“ freue, zur Straße, um Entfernungen zu überwinden, zur Tankstelle, um mich beim Abschalten des Zapfhahnes erschaudern zu lassen.
Schon ein Blick, der Gedanke allein, ist eine Beziehung, eine Wechselwirkung, und wir wissen – seit etwa 100 Jahren schon – aus der Quantenmechanik, dass Wechselwirkungen immer Einfluss auf alle Beteiligten haben: Kein Messvorgang, ohne das Gemessene zu beeinflussen, einerseits festzulegen, andererseits Möglichkeiten, die nicht im Fokus liegen, zu verlieren (Hallo Heisenberg! Nicht scharf heute?). Physikalisch exakt können wir das aber nur im Bereich kleinster Teilchen, also von „Quanten“, nachweisen, wobei diese „Quanten“ keine konkretisierbaren Teilchen sind, sondern eben nur Dinger, die im Verhältnis zu uns wiwiwinzig sind.
„Modellbasierte Realitäten“ sind das, worüber wir hier Aussagen treffen. Da gäbe es Modelle, in denen Homöopathie wirkt, oder Granderwasser, oder Käsleberkäs, über das Wohlbefinden hinaus. Ernsthaftere Versuche, die Welt zu entschlüsseln, haben uns bislang zu einem „Standardmodell der Teilchenphysik" geführt, zu einer Astronomie, wobei das Wissen über das Kleine und das Große irgendwie nicht zusammengeht, wahrscheinlich nicht – wie soll ich das ausdrücken ? – der Weisheit letzter Schluss sind.
Aber wir können gut damit leben. Unsere physikalischen Erkenntnisse erlauben uns, die Welt hinreichend zu beschreiben, um – derzeit – gut in ihr Leben zu können.
Die Welt als flach anzusehen war in Zeiten, in denen man nicht leicht weit reisen konnte – ebenfalls hinreichend, um gut auf ihr leben zu können. Ein ptolemäisches Weltbild, in dem die Erde im Zentrum steht, die Sterne um sie herum kreisen, und die Planeten – um ihre seltsamen Bewegungen vorwärts und rückwärts am Nachthimmel zu erklären – die Erde ebenfalls umkreisten, aber auf Kreisen auf Kreisen auf Kreisen – reichte aus, um die Beobachtungen am Himmel zu erklären. Man könnte dieses Modell noch immer benutzen, um das Weltall zu beschreiben. Einstein hat uns ja erklärt, das alles relativ ist, aber es wäre schon ziemlich schwierig, das, was wir mittlerweile alles da Draußen beobachten können, in Form von Bahnkurven um die Erde zu erklären, die sich ja um die Sonne bewegt, die wiederum um das Zentrum der Milchstraße fliegt, die wiederum … Aus ihrer Sicht hat Pippi Langstrumpf recht, auch ein Goldfisch, der durch sein Kugelglas die Welt ganz anders sieht, aber leicht haben sie es nicht.
Da sind eine Keplersche, Einsteinsche Himmelsmechanik sehr viel einfacher zu handhaben, auch wenn sie keine endgültige Wirklichkeit beschreiben. Aber wir leben gut damit, haben viel erreicht durch unsere jetzige, vorläufige, eben auch nur modellbasierte Weltsicht, durch unsere aktuellen Zugänge. Man beschreibt ja auch nicht den menschlichen Verdauungsvorgang aus der Sicht einer verspeisten Weintraube, zumindest nicht sinnvoll im Hinblick auf eine z.B. bevorstehende Operation.
Aus dieser „modellbasierten Realität“ unserer jetzigen Weltsicht heraus scheinen Dinge nur durch Beziehung zu existieren, Bedeutung zu haben, Kraft zu haben. Das sagt ja - irgendwie - auch die Psychologie: Erst dadurch, dass wir Dinge, Sachverhalte, sehen, ihnen Bedeutung geben, Macht verleihen, erhalten sie diese Macht über uns.
Wörter – Substantive, Adjektive, Verben, …, sind Abstraktionen von Dingen, Sachverhalten, Ereignissen, und geben diesen Gestalt, Bedeutung, Macht. Oder wir verleihen ihnen eine mächtige Vertretungsbefugnis und Strukturierungsmacht („Am Anfang war das Wort“, Johannesevangelium I, und weil wir schon katholisch sind: „… sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Welches Wort wohl?)
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Es gab einen Tag, da sah ich ihr in die Augen,
und sie sah ruhig und still zurück.
Ich dachte, hoffte, wir verstünden alles,
und alles war gut.
Das Wort blieb ungesprochen.
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Soooooooo viel gäbe es über Worte zu sagen, selbst über Wörter, selbst wenn schon sooo viel gesagt worden ist.
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Ich komm nicht so richtig zum Schreiben jetzt, zu gar nix. Soirry
Das Bild oben aus "Der Meister und Margerita", Michail Bulgakow, Verfilmung 1972, Aleksander Petrovic